Das Leben kann trotzdem schön sein

„Ich wünsche uns beiden, dass wir noch oft gemeinsam den Frühling erleben.“, erklärte Herr Buchmann, der sein Leben seit 2006 in den Dienst seiner Frau stellt (Foto). Anfangs sei es ihm schon schwer gewesen, die Veränderungen zu sehen. Da sei er auch manchmal ungeduldig und ruppig mit ihr umgegangen. Es hat aber beiden nicht gut getan. Seitdem er gelernt hat, mit dem immer mehr werdenden Vergessen seiner Frau umzugehen  bringt er eine positive, verständnisvolle Kommunikation ein.  Ja, er habe sich damit abgefunden, könne die Situation akzeptieren wie sie ist, erlebe seine Frau zufriedener und könne sich auf das veränderte Verhalten seiner Frau einstellen. „Wir kommen wunderbar zurecht. Ich weiß schließlich was sie will, je nachdem wie sie regagiert.“ Dass sie so wenig isst und trinkt, macht dem Ehemann aktuell die größte Sorge. Er versuche alles mögliche, koche ihre Lieblingsgerichte und pürriere alles für sie. Kauen könne sie schon länger nicht mehr und mit dem Schlucken habe sie jetzt auch Probleme. Zweimal in der Woche bekommt sie Flüssigkeit per Infussion und nach Bedarf „Astronautenkost“. Das würde ihr gut tun. Im weiteren Gespräch erklärt Herr Buchmann: „ Wir sind jetzt gut 50 Jahre verheiratet. 40 Jahre hat sie für mich und unsere Tochter gesorgt, ich war ja beruflich viel unterwegs. Meine Frau hat sich zu Hause um alles gekümmert. Jetzt kümmere ich mich um sie.“ Was für andere eine fürchterliche Vorstellung ist, erlebt Herr Buchman scheinbar anders. Nicht als Belastung, sondern als neue Erfahrung, die in ihm geradezu mütterliche Gefühle weckt. Ihre Emotionen haben sich nicht verändert, sie spürt soviel. Die heutige Beziehung zu seiner Frau lasse sich in vielem mit der Liebe und Fürsorge einer Mutter vergleichen, die ein zweijähriges Kind umsorgt.

Ulrike Ventker, die das Ehepaar Buchmann fast von Anfang an zu Hause berät, sämtliche Leistungen beantragt,unterstützt und begleitet, bestätigt diesen Eindruck. Frau Buchmann ist hochgradig dement, kommuniziert fast nur noch über Minik und Gestik. Ab und an kommt ihr ein einzelnes Wort über die Lippen. Aber sie macht trotzdem keinen leidenden Eindruck. Wenn sie wach ist und sich angesprochen fühlt, reagiere sie aufmerksam, warmherzig und freundlich. Sie habe ein angenemes Wesen, suche Nähe und Geborgenheit. Wenn ihr Mann aus dem Haus sei und sie mit ihr vorlieb nehmen müsse,  weiche sie ihr nicht von der Seite. „… Auch wenn sie in vielem wie ein Kleinkind reagiert, würde ich nicht auf den Gedanken kommen, sie so zu behandeln. Denn bei aller Hilflosigkeit und Anhänglichkeit, strahlt sie ganz viel Stärke und Selbstbestimmtheit aus.“, berichtet Frau Ventker, die in Münster mit ihrem Angebot bekannt ist: www.handinhand-ms.de

Begonnen habe die Veränderung  2004, nachdem sich die Tochter das Leben genommen hat. Während sich Herr Buchmann zur Ablenkung in die Arbeit stürzte, er war damals noch voll berufstätig, habe seine Frau den ganzen Kummer in sich reingefressen. Ihr einziges Kind, ein absolutes Wunschkind, auf das sie in ihrer Ehe sieben Jahre gewartet hatten. Dann eine extrem schwierige Geburt. Ihre Tochter sei der Lebensmittelpunkt gewesen. Und nun bringt sie sich um. Seine Frau sei gar nicht in der Lage gewesen zur Beerdigung zu gehen oder ans Grab der Tochter. Sie habe nicht darüber reden können, sondern versucht so weiterzuleben, als sei nichts passiert. Eines morgens (2006) sei sie dann zusammen geklappt. Im Krankenhaus habe man einen Schlaganfall festgestellt, mit jedoch nur leichten körperlichen Beeinträchtigungen (Gleichgewichtsstörung, Motorik der linken Seite gestört, keine Halbseitenlähmung). Also eher ein leichter Schlaganfall, würde man sagen. Dennoch sei sie ab dem Zeitpunkt innerlich zusammen gebrochen. Die Reha in Bad Öhnhausen musste man vorzeitig abgebrechen, weil Frau Buchmann überhaupt nicht mitgemacht habe. Auch die Antidepressiva und andere Medikamente, die ein Facharzt in Münster verordnet hatte, hätten keine Besserung gebracht. Etwa nach 6 Monaten beendete Herr Buchmann die Besuche bei diesem Arzt und ging wieder zur früheren Hausärztin mit seiner Frau. Da die Medikamente, über die wir nicht im Einzelnen gesprochen haben, keine Besserung brachten, wurden sie abgesetzt. Der  Zustand seiner Frau habe sich anschließend leicht verbessert, vermutlich weil die Nebenwirkungen weggefallen sind. Seit dieser Zeit erhält Frau Buchmann  keine Medikamente. Organisch sind ihre Befunde altersgemäß. Seelisch-geistig wurde ihr neben Depression eine Demenz bescheinigt. Sie habe seit dem Zusammenbruch nichts mehr selbst machen können, war völlig abhängig von Hilfe, wobei jedoch erst 2015 Pflegestufen III  anerkannt wurde.  Nur einmal in den 10 Jahren musste Herr Buchmann seine Frau ins Krankenhaus bringen. Sie war gefallen und hatte sich die Schulter gebrochen.

Herr Buchmann nimmt seine Frau, die im Januar 83 wurde, überall hin mit. Besonders mag sie den Garten. Manchmal übernachten beide auch im Gartenhaus. Er ist acht Jahre jünger und spürt noch keine Ermüdungserscheinungen. Aktuell freut er sich auf den Frühling, die Gartenarbeit und alles was bei schönem, warmen Wetter leichter ist.

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