Biographiearbeit in Zeiten von Corona

Foto: Aggi Dunkel

Etwa 70 Prozent aller Pflegeheimbewohner*innen sind wegen geistiger Verwirrung auf Hilfe angewiesen.  Oft tauchen Erinnerungen aus der Jugend auf, die sich mit dem aktell erlebten vermischen. Nur Angehörige/Fachleute die wissen, was der Betroffene in seiner Kindheit, Jugend und darüber hinaus in seinem Leben mitgemacht (durchgemacht) hat, können die wirr erscheinenden Bilder einordnen.  Für die heute Alten, die das ganze Gerede und Getue um Corona nicht verstehen, wiederholt sich gerade eine Geschichte, die sie, weil sie noch Kind waren damals auch nicht verstehen konnten.  Wie damals sind sie auf den Schutz und die liebevolle Begleitung vertrauter Personen angewiesen.  Doch gerade diese Unterstützung wird durch die Corona-Maßnahmen unnötig erschwert.

Aggi Dunkel, ist die Tochter einer betroffenen Heimbewohnerin. In mehreren Beiträgen prangerte sie die erlebte Willkür der Corona-Maßnahmen an. Ja, sie ging sogar in den Hungerstreik, um auf die Unmenschlichkeit der Corona-Politik aufmerksam zu machen.

Mit dem folgende Beitrag will  „Aggi“  ihrer Mutter (siehe Fotos) und stellvertretend allen Demenzkranken die Würde zurückgeben, die ihnen dadurch abgesprochen wird, dass fremde Personen über ihr Leben verfügen.

Vom Mensch mit einer bewegten Biographie zum Versorgungsobjekt staatlicher Willkür

Ein Beitrag von Aggi Dunkel

Meine Mutter ist Jahrgang 1930 und wuchs als Kind in einem kleinen Dorf in Pommern auf. Heute ist sie schwerstkranke Pflegeheimbewohnerin, deren Gesundheitszustand sich im ersten verheerenden Corona-Lockdown 2020 von Pflegegrad 4 auf 5 verschlechterte, weil über viele Wochen jeder Kontakt verboten worden war.

Doch meine Mutter ist eine höchst bescheidene, anspruchslose Frau, die mir viele wunderschöne Geschichten aus ihren Kindertagen in Pommern erzählt hat. Eine vergangene Zeit, die anmutet wie idyllische Astrid-Lindgren-Erzählungen einer glücklichen Kindheit in einer heilen Welt.

Dort konnte meine Großmutter im Sommer barfuß laufen, so dass ihr schlimmes Bein verheilte und mein Opa war Förster und ein angesehener Mann. Die kleine Dorfschule fasste in einer Klasse alle elf Dorfkinder zusammen, von denen fünf die Geschwister meiner Mutter waren. Das Dorf besaß einen gemeinschaftlichen Brotbackofen, wo feierlich die Brote für das ganze Dorf gebacken wurden und die Näherin des Ortes war für ihre heilenden Fähigkeiten bekannt.

Die Kinder spielten an der frischen Luft, liefen über Wiesen und Felder und lernten noch von der Natur über das Leben, nicht von einem Smartphone oder Google. Hätte ihnen damals jemand erzählt, dass es eines Tages Kinder gibt, die nicht wissen, wo die Milch herkommt, hätten sie sich gekringelt vor Lachen.

Meine Mutter erzählte schmunzelnd vom Hochzeitstag meiner Großeltern, wenn mein Opa gerne scherzte, es sei sehr aufmerksam vom deutschen Reich, dass das ganze Land eigens zu ihrem Hochzeitstag flaggt, denn er und Oma hatten am 20. April geheiratet, was zufällig auch der Führergeburtstag war. Mein Opa hielt den Krieg und alles, was Hitlerdeutschland unternahm, für richtig und wichtig, so fernab vom Geschehen in den Städten und den Konzentrationslagern.

In dieser Zeit mussten auch meinen Großeltern den Ariernachweis erbringen und beweisen, dass sie „reiner Abstammung“ sind. Wie bei allen anderen war die Erleichterung groß, als der Nachweis erbracht war, denn alles andere bedeutete Schlimmes, worüber aber niemand offen sprach.

In diesem Dorf war man ja so weit weg von allem, von SS-Patrouillen, der Reichskristallnacht, von Abtransporten jüdischer Nachbarn, von den ganzen Schmähschriften auf Hausfassaden wie „Kauft nicht bei Juden“ etc.

Meine Mutter erzählte nur die eine Geschichte, die sie auch als alte Frau immer noch bedrückte. Das Kastensystem, nach dem es Menschen zweiter Klasse gibt, die nicht zur Gesellschaft dazu gehören, die ausgegrenzt werden müssen, die schikaniert und diskriminiert werden dürfen, hatte Einzug gehalten. Deutschland bestand aus Gutmenschen und Untermenschen und die schlimmsten von allen waren die Juden.

So geschah es in der Dorfschule meiner Mutter, dass der Lehrer den einzigen Judenbuben des Dorfes zwang, sich bis auf die Unterhose nackt auszuziehen, um als lebendige Schautafel für den Naturkundeunterricht zu dienen. Meine Mutter hat es nicht gesagt, aber ich konnte spüren, dass sie schon als Kind wusste, dass das ein großes Unrecht ist.

Später war diese jüdische Familie fort. Sie wusste nicht, wohin. Wer weiß das schon.

Heute darf die Lehrerin in der Schule das maskenbefreite Kind der Klasse in die Ecke setzen, denn wir haben wieder ein Kastensystem, dass uns in gute und böse Menschen unterteilt. Heute darf die Lehrerin dies unschuldige Kind wie einen minderwertigen Menschen mit „Du-da ohne Maske“ ansprechen.

Das ist pädagogisch wertlos, eine Form von Kindesmisshandlung. Es ist einfach nur falsch, aber es geschieht seit 2020 an allen Orten und es ist gewünscht und gewollt. Staatlich angeordneter Kindesmissbrauch.

1944 wurde aus Pommern geflohen und mein Großvater konnte sich endlich seinen Traum erfüllen und in den Krieg ziehen, wo er als weiteres „Kanonenfutter“ einen – wie wir heute wissen – leider vermeidbaren Tod fand. Nach Kriegsende waren der Hunger und das Leid das täglich Brot der Menschen. Der Kampf um das nackte Überleben hat ganze Generationen geprägt.

Meine Mutter wurde Krankenschwester und man kann sagen, sie hat ihrem Land treu und redlich gedient. Dann heiratete sie und bekam fünf Kinder und war bis ins hohe Alter sparsam und fleißig. Sie hat nie im Leben jemandem etwas zu Leide getan und war bis zum Beginn ihrer Demenz eine sehr kluge und belesene Frau.

Zum Dank und Lohn darf sie jetzt seit über einem Jahr im Pflegeheim eingesperrt gehalten werden wie in einem Gefängnis, wo ich als ihre Tochter auf die Gnade einer Besuchserlaubnis hoffen muss und nur nach Kontrollen mit fester Terminierung Zugang zu ihr erhalte. Das ist der Lebensabend in Deutschland:

Wenn Du Dein Leben lang nichts falsch gemacht hast, kommst Du am Ende in eine menschenverachtende Verwahrung, die Dir zwar die Grundversorgung mit Waschen und Nahrung sichert, aber die Menschenwürde wird Dir genommen.

Pflegeheimbewohner wie meine Mutter wurden zu Kaspar Hausern gemacht, die zwangsisoliert wurden, weil gesunde Menschen ihren Egoismus und ihre Ängste über die wahre Nächstenliebe gestellt und beschlossen haben, dass man wehrlose, kranke Menschen einfach wegsperrt, statt für sie da zu sein.

Und am lautesten fordern es diejenigen, die sich vorher noch nie um andere gekümmert haben, die gar nicht wissen, was es bedeutet, sich über Jahre hinweg um seine Liebsten zu sorgen, sie zu pflegen, für sie da zu sein. Theoretiker, die echtes Mitgefühl und wahre Liebe nur von Kalenderblättern kennen, sie aber nicht leben.

So kamen viele Pflegeheimbewohner zu Tode. Sie starben an Einsamkeit, an gebrochenem Herzen, an Kummer und Leid, genauso aber auch an mangelhafter Versorgung und fehlender medizinischer Behandlung.

Inzwischen wurden diese alten Menschen zu Versuchskaninchen medizinischer Experimente, denn ausgerechnet an dieser Gruppe mit extremen Vorerkrankungen wurden sog. „Impfstoffe“ getestet, die nie zuvor an schwerstkranken Alten getestet wurden. Die nächste Todeswelle rollte über das Land.

Doch bei alten Menschen sagt man ja leichtfertig, ihr Tod sei „plötzlich und unerwartet“, doch altersgemäß. Stirbt ein alter Mensch nach einer Impfung, ist es ein leichtes, zu behaupten, das lag nicht an der Impfung, sondern am Alter.

Es stellt sich dann nur die berechtigte Frage: Wenn so betagte Menschen sowieso altersgemäß sterben, wozu dann dieser „Hype“ darum, ausgerechnet diese Menschen wegzusperren, einzuschließen, vom Leben abzuschneiden, wenn man um ihre Sterblichkeit schon weiß?

Was hat meine Mutter noch von diesem Leben, das sie 24 Stunden am Tag ans Bett fesselt, sie nichts mehr erlebt außer Stumpfsinn, aber keinen Sinn mehr im Leben hat, weil ihr meine täglichen Besuche verboten wurden?

Das Pflegeheim verdient an einem Pflegegrad 5 wie meiner Mutter monatlich über 4.000 Euro, das macht sie zu einem „lukrativen“ Bewohner. Doch wo bleibt da die Menschlichkeit, wenn sie für das Geld, dass sie monatlich bezahlt, keine Rechte mehr hat?

Dieses Gerede von „Solidarität“ ist die schlimmste Lüge seit Erfindung dieser Pandemie, denn in Wahrheit bedeutet es, Menschen im Stich zu lassen, ihnen die echte Hilfe, die ein liebendes Herz bedeutet, zu verweigern.

In Sachen Corona haben wir versagt. Diese Maßnahmen sind einfach nur falsch. Sie machen krank und töten sogar. Wer glaubt, dass Angst der richtige Berater ist, hat den Sinn des Lebens nicht verstanden.

Am Lebensabend angelangt, vor der Stunde des eigenen Todes, stellt sich die Frage: Möchten wir die letzte Zeit, die bleibt, mit einer Pille auf der Zunge oder lieber mit einem Lächeln auf den Lippen verbringen?

Was ist das Größte, was der Mensch zu geben hat? Eine Spritze, die nicht vor Ansteckung schützt, oder eine verlassene, traurige Seele auf gute Gedanken, zum Lächeln gebracht zu haben? Wollen wir dem Leben Stunden schenken oder nicht lieber den Stunden Leben?

Ich sitze am Bett meiner Mutter ohne Maske und ohne Abstand, weil das jetzt das einzig Richtige ist. Nur so kann sie mich sehen und fühlt, dass ich sie liebe. Und das kann mir keiner verbieten, denn Barmherzigkeit ist nicht böse.

Böse sind diese Maßnahmen, denn sie machen mit uns schlimme Dinge, die uns zu gefühllosen, rohen Wesen verändern sollen, die nur noch an sich selber denken. Da mache ich nicht mit. Wie meine Mutter schade ich niemandem, sondern ich tue Gutes.

Ich habe keine Angst vor Corona, ich fürchte nur, wenn es so weiter geht, verliert die Welt, verliert die Menschheit das, was sie einmal ausgemacht hat: Hilfsbereitschaft, Treue und Liebe.

Hinter jedem alten Menschen, der im Pflegeheim lebt, steckt eine Lebensgeschichte wie die meiner Mutter. Ein mehr oder weniger erfülltes Leben, das an seinem Ende ein Recht auf Respekt und Würde hat, sonst haben wir den Sinn des Lebens nicht verstanden.

Trotz ihrer Demenz unterhalte ich mich bei jedem Besuch mit meiner Mutter auch über diesen Corona-Wahnsinn und sie trifft den Nagel auf den Kopf, als sie sagt:

„Die Corona-Maßnahmen sind schäbig.“

Das ist ein vernichtendes Urteil einer Heimbewohnerin, die an eigenem Leib erlebt, wie schlimm sich diese Regeln anfüllen. Ein Mensch, der nicht nach Feierabend nach Hause gehen kann, der keine Wahl hat, weil er vollkommen hilf- und wehrlos ist und diese Lebenseinschränkung von seiner eigenen Rente bezahlen muss.

Ja, meine Mutter leidet an fortschreitender Demenz. Aber nein, das schließt diese vielen lichten Momente nicht aus, wo sie ganz die Alte ist und genau unterscheidet zwischen vernünftig und unvernünftig. Sie weiß nicht das Tagesdatum oder wer gerade Außenminister ist, aber das bedeutet nicht, dass sie kein Urteilsvermögen mehr hat.

Im Gegenteil, an vielen Tagen habe ich das Gefühl, an ihr den besseren Gesprächspartner als unter sog. „gesunden“ Menschen zu haben. Und bei jedem Besuch klammert sie sich an meine Hand wie eine Ertrinkende. Nein, wir halten keinen Abstand, denn diese Regeln sind, wie Mutti sagt, „Schwachsinn“!

2 Kommentare

  1. Wahre Worte. Nur leider ist schon viele Jahre vor Corona die Menschlichkeit, das Mitgefühl und die Liebe in diesem Land gestorben. Das System der Krankenkassen belohnt die falschen Anreize. Es wird dafür gezahlt, dass es den Menschen schlechter geht. Denn jede “ Höherstufung “ bringt mehr Geld.
    Dazu kommt, daß der Großteil der Kinder froh ist, wenn die Alten endlich im Heim sind. Aus den Augen aus dem Sinn. Ich habe viele Jahre in der Pflege gearbeitet. Das System macht auch die Pflegenden kaputt. Seit 25 Jahren verspricht jede Re- Gier- ung Besserung. Nur leider wurde es immer schlimmer. Für alle Beteiligten. Nur die Aktionäre machen Kasse.

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